© Tatiana Lecomte

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  1. REPLACED - Ein neues Denkmal für Wien

    Das Denkmal, das es hier zu kontextualisieren gilt, ist ein problematisches - darüber herrscht inzwischen Konsens -, weil es einen Mann ehrt, der zwar strukturell und sozial Wichtiges für die Stadt und ihre Bewohner:innen geleistet hat, dessen hetzerische und antisemitische Politik aber mit den Werten einer Demokratie nicht vereinbar ist.

    Bestehende Monumente umzugestalten kann weder die Vergangenheit auslöschen noch den Antisemitismus abschaffen. Wir, als Gesellschaft, können dennoch entscheiden, welche Geschichte wir sie erzählen lassen wollen. Monumente umzugestalten heißt für mich, Verantwortung zu übernehmen.

    Ich schlage daher eine Überarbeitung des gesamten Dr.-Karl-Lueger-Platzes auf drei Ebenen vor: Umwidmung des Denkmals, Umgestaltung und Umbenennung des Platzes.

    Umwidmung

    Ich möchte das jetzige Denkmal umwidmen, indem ich anstelle Karl Luegers eine Zeitgenossin ehre, die von der Gesinnung her als sein Gegenteil gesehen werden kann. Eine weit über Österreichs Grenzen geachtete Persönlichkeit; sie starb 1914 in ihrer Wohnung ein paar Schritte vom Dr.Karl-Lueger-Platz entfernt: die Friedensaktivistin Bertha von Suttner. Dafür soll das Lueger-Denkmal abgetragen werden. Das Denkmal als Zeitdokument, als „authentische historische Quelle“, halte ich für unbedingt schützenswert. Es soll in ein Museum überführt werden, das dem kulturellen Erbe der Stadt gewidmet ist: das Wien Museum.

    Der quadratische Unterbau und die drei Stufen des Lueger-Denkmals bleiben erhalten. Darauf wird das neue Denkmal zu Ehren Bertha von Suttners aufgestellt, bestehend aus fünf Betonfertigteilen. Es ist die Reproduktion des alten Denkmals, aber ohne Bronzefigur, ohne Skulpturen, ohne Reliefs. Mein Denkmal ist die abstrahierte Form des jetzigen Podests. Es hat die gleiche Größe, das gleiche Gewicht und ist gleich positioniert. Eine Änderung der Maße der ersten Sockelstufe ermöglicht das Sitzen auf der Skulptur. So sind die Menschen eingeladen, das Denkmal in Besitz zu nehmen und als Stadtmöbel zu nutzen.

    Auf dem unteren Teil der Skulptur - in Augenhöhe - ist folgende Inschrift zu lesen:

    An dieser Stelle stand von 1926 bis 2024 ein Denkmal zu Ehren Dr. Karl Luegers, Bürgermeister von Wien (1897-1910). Er leistete sowohl auf struktureller als auch auf sozialer Ebene Wichtiges für die Stadt und ihre Bewohner:innen. Antisemitismus und Rassismus, die er zu seinem politischen Programm machte, sind jedoch mit unseren demokratischen Werten nicht vereinbar. Aus diesem Grund entschied die Wiener Stadtregierung im Jahre 2023, nach langem zivilgesellschaftlichem Prozess, Luegers Denkmal ins Wien Museum zu überführen, wo es als Zeitdokument für künftige Generationen erhalten bleibt.

     Auf dem oberen Teil steht:

    WIR SCHREIBEN GESCHICHTE! Wir ehren hier nun Bertha von Suttner - Friedensaktivistin, Weltbürgerin, Feministin. Sie engagierte sich gegen Antisemitismus und kämpfte zeitlebens gegen Hass in all seinen Formen.

    „Fortschritt hin zu Gerechtigkeit ist gewiss kein Traum, es ist das Gesetz der Zivilisation.“ Bertha von Suttner, 1843 - 1914

    Das schmucklose Podest wirkt zunächst irritierend, weil offensichtlich etwas fehlt: damit wird Abwesenheit sichtbar gemacht. Mit der Inschrift auf dem unteren Teil der Skulptur lege ich den Fokus auf die politische Entscheidung, einen Wandel herbeizuführen. Auf dem oberen Teil biete ich eine alternative Erzählung an: die Ehrung Bertha von Suttners. Das neue Denkmal ist Kontextualisierung und Würdigung zugleich.

  2. Umbenennung

    Es scheint mir klar zu sein, dass das Lueger-Denkmal nicht überarbeitet werden kann, ohne den Platznamen zu ändern. Ich schlage daher eine Umbenennung in Bertha-von-Suttner-Platz vor. Mein Konzept sieht das Beibehalten der Lueger-Straßenschilder vor, sie werden aber durchgestrichen. Die Lueger-Zusatztafel an der Fassade des Café Prückels soll ebenfalls bleiben. Eine weitere Zusatztafel wird angebracht, die Suttners historische Rolle beleuchtet.

  3. Umgestaltung (mit Simma Zimmermann Architektinnen)

    Mit der Platzgestaltung verfolgen wir zwei Ziele: zum einen die Inszenierung des neuen Denkmals, zum anderen die Verbesserung der Aufenthaltsqualität.

    Metalleinfassungen, Pfosten, Rasen und Asphalt werden - im Wurzelbereich der Platane schonend per Hand - entfernt. Die Platzfläche wird als wassergebundene Decke ausgeführt. Es entsteht eine einheitliche, frei durchwegbare Fläche, die an den Längsseiten von 14 Bäumen (Gleditschien oder Linden) gerahmt wird. Rosen (Bestand), Stauden und Gräser werden in quadratische Beete gesetzt. Die Altstadtbänke (Bestand) sind um sie herum angeordnet und bieten schattige Sitzgelegenheiten mit Blick in alle Richtungen. Im hinteren Teil des Platzes (Falco-Park) wird der Unterwuchs entfernt - die Bestandsbäume hingegen bleiben erhalten. Durch das Aufbringen von Fichtenhackgut wird die Fläche unter der Platane nutzbar gemacht. Zusätzliche Sitzgelegenheiten (Holzdecks) ermöglichen es, dort den Schatten der Platane zu genießen, deren Wurzelbereich unangetastet bleibt. Entlang des Geländers zur ehemaligen Stadtmauer werden weitere Rosen gesetzt. Die Baumallee führt den Blick entlang der Zentralachse zum neuen Denkmal und hebt die Wirkung des leeren Podests hervor. Es entsteht ein vielfältig nutzbarer Platz mit viel Grün.

    Mit der Überarbeitung des Denkmals und des Platzes ist es mir wichtig, unsere Einbettung in eine Tradition sowie unsere Verantwortung in der Gegenwart zu veranschaulichen.

    Dem hetzerischen Antisemitismus von Karl Lueger möchte ich Suttners unerschütterlichen Glauben an die Völkerverständigung entgegenhalten.

    März 2023